Sehr verehrte Gäste, liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde; schön dass sie heute Abend hier her gekommen sind, um sich einzulassen auf ein ganz besonderes Kunstereignis – wie ich meine.
Liebe Melitta Richter, als feingeistige Regisseurin solch gelungener Kunst-Schauen in diesem Raum – herzlichen Dank dafür! Und zuforderst natürlich, dem ausstellenden Künstler, Alexander Sgonina gebührt die erste Ehre und der große Dank dafür, dass er ein Refugium für seine Kunst daraus gemacht hat und wir es in Augenschein nehmen dürfen.v
Die Spannung in diesem Raum ist eigenwillig betörend. Die Arbeiten auf Papier, die Collagen, scheinen auf den ersten Blick und auch auf den zweiten, eine völlig andere Mentalität auszuleben als die Steine. Um es gleich vorweg zu nehmen, die Steine sind das Wichtigste. Sie sind das Herzstück. Die sind auf sich konzentriert. Sie legen ihren Wirkungskreis eindeutig und bestimmt fest auf ein für sie selbst bemessenes Terrain; Ihren Ort. Kann sein als autarke Inseln, kann sein als die Behauptung von Persönlichkeit.
Ein hütender Schutz ummantelt sie vor voreiliger Vereinnahmung oder Interpretation oder Ignoranz eben.
Alexander Sgoninas Steine stehen für sich. Und – sie haben nichts zu befürchten. Diese freie, ernsthafte Anmutung überträgt sich, fordert nichts ein. Erhabenes scheint auf, wie ungewollt oder beiläufig und scheint zu behaupten: Sie sind und sie werden bleiben, wie eine Setzung, die sich ihrer Verletzlichkeit dennoch bewusst ist. Und sie haben ihr selbst gewähltes Pendant hier, das von den Wänden herab geradezu wie eine Ergänzung wirkt: Die Arbeiten auf Papier. Im Grunde ist es seltsam, dass diese Antipoden sich mögen. Denn einzig die feinen gezeichneten, gedruckten Linien der Rundungen, der Bögen in ihnen gehen in ihrer sinnlichen Mentalität eine sich zugeneigte Verbindung zu den Skulpturen ein. Und dieser seidene Faden hält. Kommen sie doch aus derselben Hand des Meisters und aus demselben Urgrund. Hunderte Zeichnungen, Studien, Bemessungen sind denen vorausgegangen. Meisterliche Zeichnungsfolgen in beachtenswerter Dimension; sehr gearbeitet, sehr empfunden, mit der Besessenheit von Leonardo da Vinci vielleicht. Wir haben sie hier als einen Eindruck davon. Diese Papiere hier, sind zu einem Teil angefüllt mit Collagen, die ihre Eindringlichkeit geradezu feiern, in massiver Schwärze, glänzend zum Teil, farbigen Akzenten, die keinen ikonografischen Anspruch stellen. Bedachte Komposition. Diese Kompositionen sind ebenso konstruiert wie spielerisch. Und sie haben ihren Halt im Format. Sie könnten, wenn sie wollten, jederzeit ausbrechen. Und doch wahren sie ihren Biotop und fordern geradezu nach einer Begründung dafür. Der Künstler selbst hat sie mir nahegelegt. Die Unterweisung wurde mit einer Nachdrücklichkeit geführt, wie das nur Naturwissenschaftler vermögen. Ich habe gehorcht. Sgoninas Weg zur Kunst beschreibt durchaus keine Gerade, indessen ohne Zweifel eine Kontinuität der Beharrlichkeit des Forschens, Strebens, die mit jener inneren Unabhängigkeit einhergeht, die aus dem Urgrund seiner elementaren Freiheitssuche, Freiheitsliebe kommt.
Er ist ja promovierter Kernphysiker bevor er ´aussteigt´, als Beleuchter am Theater arbeitet und bis 1981 an der Kunsthochschule Berlin Weißensee studiert.
Und da tritt sie eben wieder zu Tage, die Rigorosität des Analytikers, des Forschers: Das Geheimnisvolle, Unerklärliche, nicht zu Bewältigende als Ausgangspunkt zu nehmen – be – greiflich machen zu wollen… Das nämlich, was sich auf den Papieren befindet; sind Negativformen, die sich bis zum Bildrand hin ausbreiten, sozusagen aufklappen lassen, gelassen haben. Sie haben einen Namen und heißen ´kanonisierte Bögen konjugiert´. Kanon ein Begriff aus der Musik. Konjugiert – gebogen, gebeugt.
Die Idee dahinter; die Rundungen, die sich aus figürlichen Zeichnungen, sich geradezu aus Körpervermessungen speisen, in eine andere Bezüglichkeit zu setzen.
Die geliebten Bögen sitzen dann eben nicht dort, wo sie sollten, um zu funktionieren. Aber wie schön sie anzusehen! Sie haben sich einen anderen Ort ausgesucht. Eine raffinierte Form der Abstraktion ist das; ein ernstes Spiel, eine hohe Ästhetik, die den Gegensatz zu den Strukturen der Oberfläche seiner Steine geradezu aufregend ins Verhältnis setzt. Dieses bearbeitete Material, seine Skulpturen dürfen gelten als Abfolge von Unablässigkeiten, bevor sie ihren Kern gefunden haben, die eigene Mitte. Die so oft in empfindlich gestörte Symmetrie, die scheinbar festgefügte Balance von Innen heraus behutsam in Frage stellt. Allein daraus entstehen die Inhalte. Nicht, dass sie im Stein verborgen wären. Es ist vielmehr der Weg klar gewordene Assoziationsfelder zuzulassen. Der freudvolle Schreck, bis eine sichere Ahnung Gestalt annimmt, ist das Geheimnis. So, als müsse es die Wahrheit sein, die nur er auf diese Weise zu finden in der Lage ist. Alexander Sgonina verbietet sich, auch nur annähernd das zu machen, was Andere für sich schon gefunden haben. Sicherlich gibt es Lehrmeister aus der Geschichte und Anreger. Es ist so, wie bis auf den eigenen Grund zu gehen, Durchgehen durch die Form als ein Abenteuer, als ein Erlebnis, das einmalig ist, bis hin zum Strich, bis hin zum Hieb, der die Skulptur bildet, ihm unbedingt etwas Neues sagen muss. So muss das sein für ihn.
Im Grunde hat Alexander Sgonina kein Programm, das es ihm gestatten würde zum Beispiel eine Vorzeichnung am Stein zu machen, um sich einen Rahmen zu schaffen innerhalb dessen er etwas “abarbeiten“ kann, quasi als Sicherheit.
Die Spuren der Zeichenkohle sind die Begleiter seiner Arbeitsschritte und sie geben dem Festgefügten lediglich ein Hauch Spontanität, eine Reminiszenz an die Sinne.
Jeder Arbeitsbeginn ist ein Neuanfang . Wohin die Reise geht ist in ihrem Verlauf ein Ertasten, Nähern, Abklopfen. Auf jeden Fall wird das Steinvolumen weniger. Manchmal bleibt von einem massiven Block nur ein auf dem Boden liegendes Relief. Das aber hat es in sich – wie man so schön sagt. Alles andere wurde abgetragen.
Es sind Hervorbringungen. Und dieser Magnetismus zwischen Stein und dem Andern wirkt; Natur, Stein, Wesen, als dessen Richtungsgeber der Bildhauer sich sozusagen versteht…der muss es richten.
Es ist die Ambivalenz der verschiedenen Grade von Materialisiertem, in denen Brüche und Befriedungen sich ergeben. Das eine, das ist das Belassene als Hinweis, darauf woher sie kommen, das Andere wohin sie gehen. Eine Art Wundermechanik. – fast auch als aus einer Art Trotz heraus. So, als wäre die Natur selbst nicht genug, nicht für des Künstlers Wesen. Seine faustische Rastlosigkeit, sein Streben beängstigt… Ein beständiges Abringen mitunter auch gegen den Stein ist das und doch im innigsten Verbund.
Belebte Form zurück zu zwingen; den Puls spüren unter der Härte. Das magische menschliche Sein wird quasi unter der Oberfläche verhandelt, solange bis sie sich als Andeutung zu erkennen gibt. Das Schöne ist, die vergehende Zeit lässt die Steine Sgoninas nicht altern. Allein das macht sein Werk der ´zeitgenössischen Moderne´ und deren, sagen wir mal ´Verwalten´ suspekt. Geht es ja bei Leibe weder um Mode und Trend oder Markt; nicht um die rauschhafte Feier des Untergangs persé, noch um die Pirouetten drehende Originalität der schnellen Effekte. Das alles innerhalb andauernder, beschleunigter Profanisierung und Beliebigkeit. In einem solchen Maße verdichtete Kunst ist solitär. Ein Versuch einer Einordnung käme einem Sakrileg gleich.
Es ist die Anmutung dieser radikalen, spürbaren Verinnerlichung, die auf der Stelle gefangen nimmt, gleichsam fasziniert, irritiert, beunruhigt,… erhebt.
Die Steine von Alexander Sgonina stiften in ihrer undurchdringlichen Körperlichkeit eine Aura, die eine selten nachhaltige Sprachkraft am Leibe hat. Eine versammelte, in sich äußerst bewegte Stille ist das, die uns im Unklaren darüber lässt, ob ihre Energien im Begriff sind zu vergehen oder aufzuerstehen. Es sind die Zwischenreiche der Empfindungen, die unsere Seele berühren und assoziativ zur Erweiterung des räumlichen Denkens führen; - sinnlich und hart; - und auf dem Boden der figürlichen Abstraktion. Solche Werke entstehen nicht direkt vor der Natur, übersetzen keine unmittelbaren Eindrücke. Alexander Sgonina bildet in unablässig konzentrierter und freudvoller Arbeit seine Formenwelt an dem Ort seiner Begierde. Für mich ist es ein Glück und eine Ehre daran teilzuhaben.
Ich wünsche ihnen den Genuss und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Alexander Sgonina,
Kurator Altes Museum/Neue Nationalgalerie
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